Trotz ist gesund

Gestern abend habe ich noch wütend getwittert, als es nicht mehr nur ein Gerücht war, dass Trump aus dem Pariser Klimaschutzabkommen austreten wolle. Furcht und Wut sind groß in Social Media, auch heute. Aber da ist eine neue Qualität spürbar, eine sehr gesunde und positive: Trotz. Ich weiß nicht, ob ich zu hoch greife, wenn ich sage: Nr 45 schafft es wie kaum einer, die restliche Welt trotz all ihrer Streitigkeiten zu einen - gegen sich. Aber er schafft noch Seltsameres ... Und warum mich das in meinem Blog interessiert? Es geht nicht nur die gesamte Welt etwas an - ich kaufe auch bei amerikanischen Firmen Zubehör ein und habe da gewisse Ansprüche. Aber zuerst kurz die Fakten.

Wenn einer ständig mit Sand und Förmchen schmeisst, will irgendwann niemand mehr mit ihm spielen. (Foto: pixabay)
Trump hat also die Absicht geäußert, aus dem Pariser Klimaschutzabkommen, der Vereinbarung vom sogenannten COP21, auszusteigen: Hier die Meldung - hier die Reaktionen der Nacht. Eigenen Angaben zufolge wolle er neu aushandeln, einen neuen "Deal" erreichen. Damit hält er ein Wahlversprechen ein - die entsprechenden Wähler jubeln. Gleichzeitig jedoch sprudelt er wie immer heiße Luft, verbiegt Tatsachen und beweist einmal mehr eine Mischung aus vorsätzlicher Vernachlässigung der Realität und gefährlichem Narzissmus. Der Löwe, der hier brüllt, verliert jedoch zusehends Zähne.

Die Fakten:

  • Trump hat sich ein dickes Hintertürchen offen gelassen. Er steigt nur aus dem Abkommen von Paris aus, dem COP21, nicht aus der sog. Klimarahmenkonvention. Letzteres wäre umfassender, endgültiger, gefährlicher und würde schneller vonstatten gehen. Da sind die USA also weiter Mitglied.
  • Trump kann nicht einfach mit einer Rede à la Wahlkampf aussteigen. Ein Emissär der US-Regierung muss offiziell und schriftlich dem Generalsekretär der Vereinten Nationen den Wunsch der Kündigung übermitteln. Erst dann ist das amtlich. Auch das bringt also Zeit.
  • Nachverhandlungen zum COP21 sind nicht möglich - das haben ihm inzwischen auch einige Staatschefs noch einmal erklärt. Verträge sind bindend - oder man muss sie einseitig kündigen.
  • Die Vertragsregularien setzen Kündigungsfristen. Demnach können die USA gar nicht vor dem 4. November 2020 austreten. Das liegt genau einen Tag nach der nächsten Präsidentschaftswahl. Sollte es Trump dann vergeigt haben, würde man aller Wahrscheinlichkeit nach die Kündigung einfach unter den Tisch fallen lassen, heißt es.
  • Die Summe, die für die USA angeblich so unbezahlbar ist, liegt nach Angaben, die ich gestern auf Phoenix hörte, bei etwa 500 Millionen Dollar. Sie wird nicht auf die restlichen Staaten umgelegt, das Loch ließe sich andersweitig stopfen. Nicht gerechnet der Vorteil, den die Investitionen in den Klimaschutz für die Wirtschaft bringen
  • Trump hat offenbar in letzter Minute bemerkt, dass er Fehler macht - oder wurde eher von Beratern darauf hingewiesen. Das Weiße Haus hat sofort eine Erklärung nachgereicht, die fadenscheinig und blumig wie immer formuliert, es sei doch alles nicht so schlimm gemeint gewesen. Doch wer einmal lügt - dem glaubt man nicht mehr. Trump hat seine Glaubwürdigkeit verspielt.
Der Mann arbeitet also weiterhin mit seiner Masche, mit schnellen, hochemotionalen Schocks größtmögliche Aufmerksamkeit zu erreichen und dabei seine Wähler in der Sicherheit zu wiegen, er würde etwas Effektives für sie tun. Doch es scheint so, als habe er diesmal die Backen zu weit aufgeblasen. Ihm weht nicht nur ein eiskalter Wind aus der restlichen Welt entgegen, immerhin hatten 196 Partner unterschrieben - das Abkommen ging nicht umsonst als Beweis einer erstaunlichen globalen Einigkeit in die Geschichte ein. Schon im November wird das COP23 in Bonn stattfinden - und es ist jetzt schon abzusehen, dass China in die Bresche springen wird, welche die USA hinterlassen. Dem Klima sind Nationalitäten egal, es zählt die Effektivität der Umsetzung.

Trump isoliert sich und sein Land massiv. Der französische Präsident Macron hat ihm deutlich die Leviten gelesen - das Video macht in amerikanischen Medien die Runde:


Viel schlimmer für Nr. 45, aber Hoffnung verheißend für die Welt: Trump isoliert sich selbst innerhalb Amerikas. Er hat durch seine gestrige Aktion zwei seiner besten Wirtschaftsberater verloren: Musk und Disney steigen aus - wer weiß, wie viele noch folgen werden. Selbst Vertreter von Ölkonzernen wollen am COP21 festhalten. Es ist bekannt, dass viele große Unternehmer ihn sogar vor diesem Schritt gewarnt haben.

Und so gibt es nicht erst seit heute eine Gegenbewegung in den USA, die nicht mehr nur Protest veranstaltet. Eine noch namenlose Gruppe verhandelt seit heute mit den Vereinten Nationen, dass sie unabhängig von der Entscheidung Trumps am Klimaabkommen nicht nur festhalten könne, sondern auch aktiv eine Rolle bei der Umsetzung spielen dürfe. Laut New York Times gehören ihr derzeit 30 Bürgermeister, drei Gouverneure, 80 Universitätspräsidenten und mehr als 100 Unternehmen an - und es könnten mehr werden.

Bonbon bei der ganzen Sache: Ausgerechnet Pittsburgh ist bei dieser Aktion dabei! Wir erinnern uns: Pittsburgh ist die Stadt, die Trump gestern so in den Mittelpunkt rückte, als er sagte, er agiere für Pittsburgh, nicht Paris. Die besten Gag schreibt eben das Leben ... Man darf nun gespannt sein, wie viele Städte, Organisationen und Firmen sich diesem Bündnis noch anschließen werden.

Das Amerika gibt es nicht mehr wirklich. Und richtig "great" sind eigentlich diejenigen, die der Präsident so sturköpfig bekämpft. Es geht eine Energiewelle um die Welt: Im Trotz vereint, rufen da immer mehr: Jetzt erst recht! Selbst Länder wie China haben gelernt, dass man sich mit Umweltverschmutzung nicht nur das eigene Leben abgräbt, sondern auch der Wirtschaft schadet. Dass Umweltschutz und neue Technologien dafür auch saftige Vorteile bringen.

Und so hat der gestrige Abend auch einen Effekt ganz privat auf mich (nämlich eigentlich keinen). Ich lege sehr großen Wert auf Nachhaltigkeit in meiner Firma und prüfe verwendete Produkte, wo auch immer das möglich ist. Aus diesem Grund kam ich dazu, bestimmte Dinge aus den USA zu bestellen, oft aus Kalifornien. Denn ich stieß auf Firmen, die nicht nur top Qualität produzieren, sondern die auch bemüht sind, mit größtmöglicher Transparenz zu arbeiten, was ihre Umweltbilanz oder die Freiheit von Giften betrifft. Und dabei erfüllen sie Normen, die mindestens auf europäischem Niveau liegen, wenn nicht sogar höher - einfach, weil es die Unternehmen freiwillig so wollen. Sie haben gelernt, dass es etwas einbringt.

Jeder weiß, Metallperlen kann man weltweit zu Tiefstpreisen einkaufen, wenn man nicht genau hinschaut. Die meinen kaufe ich relativ teuer ein im Vergleich zu China - es ist amerikanische Qualitätsware. Ich mache das, weil ich bei dieser Firma sogar öffentlich die Laborberichte lesen kann: Diese Perlen werden regelmäßig auf Schadstoffe und Schwermetalle geprüft und sie sind frei davon. Ich kaufe selbst meine Perlendrähte in den USA. Nicht nur wegen der innovativen Technologie, die einzigartig ist, sondern weil sich das Unternehmen in Sachen Umweltschutz und Arbeit gegen den Klimawandel selbst verpflichtet hat.

Ich gebe zu, ich habe auch Angst, dass mir im Falle eines Handelskrieges oder neuer Sperenzchen Trumps solche Lieferanten wegbrechen könnten. Denn der Spruch vom nachhaltigen regionalen Einkauf lässt sich nicht auf alle Branchen übertragen, noch nicht einmal national. Einwandfreie Metallteile werden z.B. auch in Italien hergestellt (dort beziehe ich Verschlüsse u.a.) - aber die formen eben nicht Perlen. Und was den Perlendraht betrifft - der ist dank Patent weltweit einzigartig, alles andere wäre schlechterer Ersatz. Trotz allem bin ich heute hoffnungsfroh. Und ich denke, es ist wichtig, weiterhin diejenigen zu unterstützen, die sich gegen Trump wenden, die aktiv für diesen Planeten einstehen, auch und gerade in solch schwierigen Zeiten. Es gibt keinen Grund, sich von den USA abzuwenden, denn die Gegenbewegung wächst massiv in allen Bereichen. Und wer weiß, was der Geheimdienstausschuss demnächst zutage fördert. Um Trump könnte es bald sehr einsam werden. Denn da ist auch das andere Amerika, mit sehr wachen Menschen.

2 Kommentare:

  1. Liebe Petra,

    das war ein sehr schöner Artikel, der mir gerade ein Stück Hoffnung in die Menschheit und für die Zukunft zurückgibt. Die Informationen die du da zusammengetragen hast, kannte ich alle nicht. Als ich die Info zum Austritt das erste Mal sah, war ich schon wieder so demotiviert und enttäuscht von irgendwie allem, dass ich mir keine weiteren Artikel dazu durchlesen wollte und konnte. Und nun kommst du eben mit deiner Zusammenfassung und siehe da: es gibt doch noch Hoffnung.

    Vielen Dank dafür und weiter so!

    Liebe Grüße,
    Sam

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  2. Gern geschehen, liebe Sam! Warum sollen andere nicht von meinem Beruf profitieren - ich habe solche Infos ratzfatz zusammengesucht.

    Oder anders gesagt: Ich hatte gestern Abend, als die Nachricht kam, selbst eine unbändige, hilflose Wut, obwohl die Sache ja zu erwarten gewesen war. Und als ich dann noch zufällig live in seine Rede reinhörte, wurde mir übel ... ich kann dieses typische Gesülze und Realitätenverdrehen nicht mehr ab. Dazu das Gesicht, dieser Bubi, der über seine Sandkastenfreunde herzieht und hämisch kichert und sich die Patschhändchen reibt ... da bin ich zum Abregen dann länger als gedacht bei Phoenix hängen geblieben. Die brachten sehr schön die Fakten, dass der Vertrag so schnell nicht zu kündigen sei. Und die NYT & Co werden mir zum Frühstück immer aufs Smartphone gespült.

    Vielleicht sehe ich es auch zu rosig, aber es ist wirklich zu beobachten, wie die Zustimmung der Amerikaner zu Trump massiv bröckelt und der aktive Widerstand immer lebendiger wird.
    Mich treibt das auch privat um: Ich habe Familie in den USA und der Riss geht da quer durch, eine Sache, die ich nachvollziehen, aber nicht verstehen kann.

    Liebe Grüße,
    Petra

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